Der Amazonas-Regenwald ist eine der letzten verbliebenen Naturräume der Erde. Er ist daher ein einzigartiges, natürliches Labor für die Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre. Obwohl diese schon seit langem untersucht werden, gibt es noch viel zu lernen und erhebliche Wissenslücken zu schließen. Ein besonderer Bedarf besteht an Messungen von Hintergrundwerten von Gasen und Aerosolen in der Atmosphäre des Amazonas. Diese sind wichtig, damit wir die Auswirkungen der anthropogenen Veränderungen und des Klimawandels erkennen können. Robbie Ramsay und seine Co-Autoren haben dies in einer neuen Studie über anorganische Spurengase über dem Amazonas in Angriff genommen.
Das Forscherteam führte in der Trockenzeit 2017 einen Monat lang Messungen an ATTO durch. Sie entnahmen Luftproben über dem Blätterdach des Waldes in 42 und 60 Metern Höhe am 80 Meter hohen Walk-up-Turm. Sie führten stündliche Messungen von mehreren anorganischen Spurengasen (wie Ammoniak und Salpetersäure) und Aerosolen durch. Damit konnten sie nicht nur die Konzentration der Gase, sondern auch deren Strömung vertikal in der Luftsäule messen.
Langstreckentransport von Spurengasen
ATTO befindet sich sehr abgelegen im zentralen Amazonas-Regenwald. Trotzdem sind die Luftmassen, die am Standort ankommen, nicht immer ganz ursprünglich. Vor allem in der Trockenzeit kommt es häufiger zu Einträgen von verschmutzter Luft. Das konnten auch Robbie und seine Kollegen beobachten. Während der vier Wochen gab es mehrere Perioden, in denen sie erhöhte Konzentrationen von sulfathaltigen Aerosolen und Ammoniak feststellten. Zusammen mit Ruß sind diese ein eindeutiger Indikator für anthropogene Emissionen.
Anhand der Windgeschwindigkeit und -Richtung konnte das Team zurückverfolgen, welchen Weg die Luftmassen genommen hatten, bevor sie bei ATTO ankamen. Und tatsächlich waren sie über große städtische Gebiete im Süden und Südosten sowie über Gebiete, in denen Brände aufgezeichnet wurden, hinweggezogen. Als sie die Luftmassen noch weiter zurückverfolgten, fanden sie heraus, dass einige ihren Ursprung in Südwestafrika hatten. In dieser Region wird zu dieser Jahreszeit häufig Biomasse verbrannt. Die Gase stammen also wahrscheinlich zum Teil aus Afrika, zum Teil aus anderen Teilen des brasilianischen Amazonasgebiets.
Salzausstoßende Pilze?
Das Team schätzte auch die Ablagerungsgeschwindigkeit. Diese beschreibt die vertikale Geschwindigkeit, mit der die gemessenen Spurengase und Aerosole aus der Atmosphäre an der Oberfläche abgelagert werden. Diese Werte sind wichtig, um die Rate abzuschätzen, mit der Gase und Aerosole durch trockene Deposition aus der Atmosphäre entfernt werden. Dies ist entscheidend für die Modellierung der Lebensdauer von Gasen und Partikeln in der Atmosphäre.
Außerdem fanden sie deutlich mehr Chlorid- und Nitrat-Ionen, als bisher angenommen wurde. Häufige Quellen dafür könnten die sehr lokale Verbrennung von Biomasse oder salzhaltige Meeresluft vom Atlantik sein. Es ist aber auch möglich, dass biogene Krustenmaterialien wie Pilzsporen die Quelle für diese Ionen sind. Speziell von Pilzen weiß man, dass sie ihre Sporen aktiv durch Flüssigkeitsstrahlen abgeben. Analysen in anderen Studien haben gezeigt, dass 40-60% der Pilzsporenfragmente Chlorid-Ionen in Form von Salz enthalten.
Die Studie ist ein erster Schritt, um die Austauschprozesse von anorganischen Spurengasen zwischen dem Amazonas-Regenwald und der Atmosphäre zu entschlüsseln. Ein nächster Schritt könnte sein, diese Studie in der Regenzeit zu replizieren. Dies würde einen vollständigeren Blick auf das jährliche Muster des Austauschs von anorganischen Spurengasen und groben Aerosolen zwischen Biosphäre und Atmosphäre über tropischen Regenwäldern ermöglichen.
Ramsay et al. veröffentlichten die Studie “Concentrations and biosphere-atmosphere fluxes of inorganic trace gases and associated ionic aerosol counterparts over the Amazon rainforest” Open Access in Atmos. Chem. Phys.
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