Spieglein, Spieglein im Wald...
Einige organische Verbindungen existieren in zwei spiegelbildlichen Formen. Dies wird als Chiralität bezeichnet, und solche chiralen Formen sind in den meisten physikalischen und chemischen Eigenschaften identisch. Einige Eigenschaften wie der Schmelzpunkt und die Wasserlöslichkeit können sich jedoch zwischen den chiralen Formen unterscheiden. Daher kann die Häufigkeit der einen Form gegenüber der anderen in der Atmosphäre weitreichende Folgen haben und sogar Wolkenbildungsprozesse beeinflussen.
Der Grund dafür ist die Bildung so genannter sekundärer organischer Aerosole (SOA) aus chiralen Vorläufersubstanzen. Die SOA-Bildung beschreibt den Prozess, bei dem organische Partikel in der Atmosphäre zu winzigen Teilchen oxidiert werden, die dann als Keime für die Wolkenbildung dienen.
Eine chirale Quelle
Es gibt jedoch nur sehr wenige Studien, die zwischen den chiralen Formen unterscheiden. Daher wissen die Forscher noch wenig über ihre Bedeutung für atmosphärische Prozesse. Vor einigen Jahren führten Nora Zannoni und ihre Kollegen an ATTO eine Studie durch, die sich auf die chirale Verbindung der α-Pine konzentrierte. Dabei stellten sie unter anderem fest, dass die beiden chiralen Formen weder gleich häufig vorkommen noch das Verhältnis der beiden Formen über die Zeit, die Jahreszeit oder die Höhe über dem Waldboden konstant ist.
In einer neuen Studie untersuchten Denis Leppla, Thorsten Hoffmann und ihre Kollegen die Pinsäure und ihre chiralen Formen. Pinsäure bildet sich in der Atmosphäre durch SAO-Bildung aus α-Pinen. Das Team wollte herausfinden, wie die chemischen Reaktionen in der Atmosphäre die Chiralität des Produkts Pinsäure beeinflussen.
Ein chirales Produkt
Sie stellten fest, dass die Häufigkeit der beiden chiralen Formen gleich bleibt. Ähnlich wie bei den α-Pinen zeigt ihre Analyse einen Gradienten im Verhältnis der beiden Formen der Pinsäure mit zunehmender Höhe. Diese Ergebnisse waren über drei Messkampagnen an ATTO in den Jahren 2018 und 2019 hinweg konsistent. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die chirale Information des Vorläufermoleküls α-Pinen lediglich auf die Pinsäure übertragen wird. Das bedeutet, dass großräumige Emissionsprozesse der beiden chiralen Vorläuferformen hauptsächlich deren chirales Verhältnis bestimmen. Meteorologische, chemische oder physikochemische Prozesse spielen dagegen keine besondere Rolle.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass das chirale Verhältnis der biogenen Vorläuferverbindung α-Pinen in den Oxidationsprodukten erhalten bleibt. Zukünftige Studien können sie daher zur Interpretation der biogenen Emissionsquellen nutzen. Da Pinsäure in der Atmosphäre in Form von Partikeln vorkommt und eine längere Lebensdauer hat, bevor sie wieder mit etwas anderem reagiert, liefert sie ein großräumigeres Bild der Vorläuferemissionen, zeigt aber auch lokale und regionale Einflüsse auf. Die Studie von Denis Leppla und seinem Team bietet somit eine bessere Alternative zur Untersuchung der Chiralität.
Denis Leppla et al. veröffentlichten die Studie “Varying chiral ratio of pinic acid enantiomers above the Amazon rainforest” Open Access in Atmos. Chem. Phys.
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